Erst wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine neue Software gerne nutzen und davon überzeugt sind, ist die Software-Einführung erfolgreich. Mit einer User Adoption wird dieses Ziel erreicht.
Wer in Lösungen für den digitalen Arbeitsplatz investiert, braucht ein Konzept. Klingt ziemlich banal, ist es aber in der Praxis vieler Unternehmen nicht. Warum? Weil sie bei einer Software-Einführung das Verhalten und die Zufriedenheit der Anwenderinnen und Anwender zu wenig berücksichtigen. Dafür betonen sie die rein technischen Aspekte über, was aber kurzsichtig ist.
Bei der Einführung neuer Technologien und Tools kommen Unternehmen am Thema Change Management nicht vorbei. Für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist Neues nämlich erst einmal bedrohlich. Die Palette an Vorbehalten, die sich aus der grundsätzlichen menschlichen Veränderungsresistenz speisen, ist groß und hinlänglich bekannt. Trotzdem ergreift eine Mehrheit von Unternehmen keine Maßnahmen fürs Change Management, um die Akzeptanz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Einführung und Nutzung neuer Tools und Technologien zu erhöhen.
Laut Deutscher Social Collaboration Studie 2020 liegt der traurige Wert bei 70 Prozent. Befragt wurden 1.079 Mitarbeiter*innen großer und mittelständischer Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Demnach stehen die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Zeit, die ihnen zur Verfügung steht, um sich mit den Tools und Technologien auseinanderzusetzen, nicht ausreichend im Fokus. Mit negativen Folgen für deren Zufriedenheit.
So gelingt die User Adoption bei der Software-Einführung
Ohne Change Management bei der Einführung neuer Software erreichen Unternehmen nicht die beabsichtigten Geschäftsziele. Die Rendite ihrer technologischen Investition gerät in Gefahr. Für eine gelingende User Adoption, also eine dauerhafte Akzeptanz neuer Technologien und Tools, sind folgende Faktoren wichtig:
Geschäftsziele klären
Der erste Schritt: Klären, was mit der Software-Einführung erreicht werden soll. Dies kann zum Beispiel Datensicherheit, die Steigerung der Produktivität durch Automatisierung oder eine bessere Zusammenarbeit im Team sein.
Führungskräfte einbinden
Führungskräfte haben eine wichtige Rolle im Einführungsprozess. Sie sollten mit gutem Beispiel vorangehen und die Software selbst aktiv nutzen, wichtige Informationen darüber verbreiten und sich an Diskussionen darüber beteiligen. Eine erkennbare Vision der Führungskräfte hinter dem Einführungsprojekt kann die User Adoption deutlich erhöhen.
Ängste der Anwender*innen wahr- und ernst nehmen
Psychologische und emotionale Aspekte werden bei der Einführung einer neuen Software oft beiseite geschoben, Bedenken und sogar Ängste der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ignoriert oder verdrängt. Doch diejenigen, die die neue Technologie später anwenden sollen, müssen Routinen aufgeben und neue Arbeitsweisen und Prozesse erlernen. Sie fragen sich: Was soll das überhaupt? Bekomme ich das hin? Werde ich jetzt kontrolliert? Und viele weitere, manchmal auch irrationale Befürchtungen mehr.
„Jede Software-Einführung ist ein Change-Projekt und sollte entsprechend kompetent begleitet werden. Ansonsten darf man sich nicht wundern, wenn die Mitarbeiter*innen im ersten Zimmer des ‚House of Change‘, dem Zimmer der Selbstzufriedenheit, eingesperrt bleiben und die teure Software keinen Effizienz- und Effektivitätsgewinn bringt“, sagt der Führungskräftetrainer und Coach Daniel Hetzer von kybos Training & Coaching auf LinkedIn.
Unternehmen und Führungskräfte sollten also eventuelle Sorgen und Nöte ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter offene Augen und Ohren schenken und diese auch ernst nehmen. Dies gelingt zum Beispiel über einen anonymen Kummerkasten oder regelmäßige User Groups.
Team von Multiplikatoren aufbauen
Neben dem Engagement der Führungskräfte muss es noch weitere Personen geben, die sich für die neuen Tools und Technologien einsetzen und andere zur Nutzung anregen. Motto: Imitieren ist einfacher als initiieren. Es braucht also zusätzlich einflussreiche Kolleginnen und Kollegen, deren Nutzungsverhalten vorbildlich ist und somit nachgeahmt wird. Diese Multiplikatoren verfügen über folgende Eigenschaften:
– Affinität zu Technologien und Innovationen
– Klares Verständnis der wichtigsten Funktionen und Vorteile der neuen Software
Multiplikatoren haben die Aufgabe, die komplette Belegschaft zu inspirieren und zu motivieren, die neuen Technologien und Tools zu nutzen.
Kommunikationskampagne aufsetzen
Ziel einer Kommunikationskampagne ist es, Spannung und Vorfreude auf den Einsatz der neuen Software zu erzeugen. Die Kampagne sollte die Mehrwerte der neuen Tools und Technologien vermitteln und auf den bekannten Kommunikationskanälen des Unternehmens (zum Beispiel Flyer, Broschüren, E-Mail, Messaging-Tools, Informationsveranstaltung) ablaufen.
Zielgruppen sind zum einen die Anwender*innen, die in regelmäßigen Abständen Informationen zum geplanten Rollout der neuen Software von der Geschäftsleitung erhalten. Diese Informationen sollten so formuliert und gestaltet sein, dass sie über das Startdatum der Software-Einführung hinaus Lust auf die Nutzung der neuen Software machen.
Die Kommunikationsstrategie für das Projektteam beinhaltet Meilensteine, Fortschritte und Maßnahmen beim Rollout, ebenso mögliche Herausforderungen und Rückschläge.
Anwender-Schulungen durchführen
In diesen Schulungen sollte es nicht nur darum gehen, wie Mitarbeiter*innen die neue Software nutzen. Sie sollten auch erfahren, wie die Software ihre praktische Arbeit unterstützt und welche Vorteile sie bietet. Das Format dieser Schulungen orientiert sich also an den individuellen Bedürfnissen und Anforderungen der User und ist nicht zu allgemein gehalten.
Webseite mit Schulungsinhalten erstellen
Neben den Präsenz-Schulungen bietet es sich an, auf der Webseite des Unternehmens eine Hilfe- und Schulungsseite zu erstellen, die alle wichtigen Informationen zur Verwendung der neuen Software enthält. Dies können allgemeine Hilfeartikel, Governance-Richtlinien und Best-Practice-Listen sein. Die Hilfe- und Schulungsseite sollte über Funktionen verfügen, mit denen Benutzer auch Fragen stellen, Antworten geben und Kommentare hinterlassen können.
Hilfreich kann auch ein Handbuch im PDF-Format sein, das als Hilfe in eine neue Software integriert wird. Über ein Enterprise Social Network wie Microsoft Yammer kann eine Community aufgebaut werden, in der sich Anwender*innen über die neue Technologie, über Funktionen und Prozesse austauschen.
Dies alles ist ein laufender Prozess, der kontinuierliche Arbeit erfordert.
Hilfreiche Tipps zur Nutzung verschicken
Im Rahmen der Rollout-Kampagne können ausgewählte Schulungsinhalte, zum Beispiel Artikel und Videos, in Form täglich wiederkehrender Tipps per E-Mail oder über Tools zur Social Collaboration versendet werden.
Frage-und-Antwort-Meetings abhalten
Meetings, in denen die Mitarbeiter*innen Fragen zur neuen Software stellen und in Echtzeit detaillierte Antworten erhalten (Q&A-Meetings), stärken das Vertrauen in das Change-Management-Projekt. Q&A-Meetings reduzieren außerdem das Volumen der Helpdesk-Tickets der Support-Teams und fördern das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Feedback einholen
Durch ehrliches Feedback direkt nach der Bereitstellung der neuen Software kann weiterer Schulungsbedarf bei einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erkannt werden. Umgekehrt bekommen die Mitarbeiter*innen das Gefühl, dass man ihre Sorgen ernst nimmt, was sich wiederum positiv auf die Wahrnehmung der Software-Einführung auswirkt.
Anwenderinnen und Anwender dauerhaft begleiten
User Adoption erstreckt sich auf den kompletten Einführungsprozess und darüber hinaus auf die Zeit nach der Software-Einführung. Wenn User Adoption erst dann beginnt, sobald Mitarbeiter*innen in den Widerstand gehen, ist es bereits zu spät. Das Verhalten des Widerstands ist in der berühmten Veränderungskurve nach Kübler-Ross der Tiefpunkt, den Menschen in einer Veränderungssituation erreichen.
Insofern geht User Adoption weit über den Zeitpunkt der technischen Umstellung auf neue Tools und Technologien hinaus. Immer wieder kann es zu Schwierigkeiten bei der Nutzung der Software kommen, was auch daran liegt, dass jeder Mensch unterschiedlich lernt. Wichtig dabei ist auch, regelmäßig den Fortschritt des Projekts und besonders erzielte Erfolge zu kommunizieren.
So individuell wie das Software-Einführungsprojekt selbst, so sollte auch die User Adoption individuell gestaltet sein, damit jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter von der neuen Software profitiert und diese gerne nutzt.