Mit Robotic Process Automation (RPA) gewinnen Beschäftigte wieder mehr Zeit für kreative und wertschöpfende Aufgaben. Sich stets wiederholende Routineaufgaben werden nämlich von Software-Robotern, so genannten Bots, automatisiert erledigt.
Ein Gespräch mit Stefan Zanzinger, Account Manager bei Lupus & Company, und Tobias Kortkamp, Account Manager bei busitec, über Einsatzszenarien und Vorteile von Robotic Process Automation (RPA).
Warum liegt RPA derzeit so im Trend?
Der Trend ist sozusagen das Nebenprodukt zweier viel größerer Trends: Digitalisierung und digitale Transformation. Gerade wenn Unternehmen in neue Technologien investieren, stehen denen auch immer bereits bestehende Technologien gegenüber beziehungsweise existieren parallel. Da gibt es oft verschiedene Ökosysteme und es bilden sich separate „Technologie-Inseln“. In solchen Fällen ist es von Vorteil, wenn Technologien systemübergreifend funktionieren und verschiedene Prozesse miteinander kombinieren. RPA kann das leisten.Mit dem Trend zur Digitalisierung und digitalen Transformation einher geht auch eine verstärkte Automatisierung. Viele Unternehmen haben bestimmte Kernprozesse bereits automatisiert. Es existieren aber, wie schon erwähnt, oft viele Altsysteme nebeneinander. RPA bietet dann eine schnelle und kostengünstige Möglichkeit, diese miteinander zu verbinden. Die Amortisationszeit von RPA-Lösungen liegt bei weniger als einem Jahr.
Roboter und Automatisierung. Viele Beschäftigte hören das mit Schrecken und fürchten den Verlust ihres Jobs. Zu Recht?
Nein. Bei RPA geht es um die Frage, welche Art von Aufgaben ersetzt werden sollen. In der Regel sind das standardisierte, langweilige Routineaufgaben, die keiner so wirklich gerne macht.
Was unterscheidet RPA-Plattformen zur Erstellung von Bots von klassischer Software?
Jedes Unternehmen verfügt über Systeme mit entsprechenden Oberflächen, über die diese Systeme bedient werden. RPA beziehungsweise der Einsatz von Bots ändert an diesen Systemen nichts. Es bleibt alles so, wie es ist. Der Bot ist im Prinzip ein virtueller Mitarbeiter, der diese Systeme bedient, Felder anklickt und Daten in andere Systeme überträgt. Die Aufgaben, die der Bot erledigen soll, lassen sich relativ einfach und schnell programmieren, ohne besondere Programmiersprachen nutzen zu müssen. Wie weit das geht, entscheidet jedes Unternehmen selbst.
Woran können Unternehmen erkennen, welche Prozesse sich für RPA eignen?
Es sollte sich dabei um Prozesse und Aufgaben handeln, bei denen sich eine Automatisierung lohnt. Sie sollten also regelmäßig anfallen, nicht nur wenige Male im Jahr. Andererseits gibt es auch komplizierte Prozesse, die per se aufwändig sind, wie etwa das Erstellen eines Jahresabschlusses. Da müssen Konten abgeglichen und Rückstellungen gebucht werden. Auch hier gibt es möglicherweise Potenzial zur Automatisierung. Grundsätzlich gilt aber für jeden Bot: Die Prozesse, bei denen er zum Einsatz kommt, sollten ausreichend strukturiert sein und klaren Regeln folgen.Oft sind es genau diese Prozesse, die im Unternehmen gar nicht besonders wahrgenommen werden, weil sie sowieso jeden Tag im Hintergrund ablaufen. Ein Beispiel ist die Pflege von Stammdaten. Da heißt es oft, dass sei doch nicht viel Aufwand, das könne man nebenher erledigen. Doch es bleibt eben nicht bei diesem einen Prozess. Es existieren viele andere, die immer wiederkehren. Das macht den Einsatz von RPA so interessant. Die Bots entlasten bei der Erledigung unliebsamer Aufgaben und unterstützen dabei, sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können.
RPA lässt sich auch systemübergreifend einsetzen. Was sind Beispiele dafür?
Ein Beispiel ist das Controlling: Wenn ein Controller im Rahmen des Jahresabschlusses Berichte erstellt, trägt er Daten aus verschiedenen Quellen und Systemen zusammen und überführt diese in irgendwelche Tabellen. Dadurch gehen, vorsichtig geschätzt, über 70 Prozent der Zeit drauf. Die eigentlich wertschöpfende Arbeit eines Controllers ist aber, aus Zahlen Schlussfolgerungen abzuleiten und Empfehlungen zu geben. RPA entlastet den Controller vom Datensammeln. Am Ende gewinnen alle: Der Controller hat mehr Spaß bei seiner Arbeit und das Management erhält bessere Empfehlungen.Ein anderes Beispiel: Ein Vertriebsmitarbeiter recherchiert in Ausschreibungsportalen nach möglichen Auftragschancen. Ein Bot kann dieses Portal zügig durchkämmen und die für das Unternehmen interessanten Angebote filtern. Er könnte beispielsweise auch automatisch eine E-Mail an einen anderen Mitarbeiter erstellen, damit dieser sich die Angebote ebenfalls ansieht. Dabei sind mehrere Systeme im Einsatz, die technisch gesehen nicht miteinander verbunden sind, sondern die jeweils von Menschen bedient werden. Dies kann auch ein Bot erledigen. Was aber den jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorbehalten bleibt, ist das Bewerten der Angebote und die Kontaktaufnahme mit potenziellen Kunden.
Im Interview
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Tobias Kortkamp, Account Managerbusitec GmbH
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Stefan Zanzinger, Account ManagerLupus & Company
Ein Stichwort bei RPA ist Fehlerfreiheit. Machen Software-Roboter tatsächlich keine Fehler?
Sofern es sich um Flüchtigkeitsfehler handelt, die aufgrund einer geringen Aufmerksamkeit passieren, ja. Dafür wieder ein Beispiel: Ich übertrage Daten von einem System in ein anderes. Menschen werden irgendwann unkonzentriert, verrutschen vielleicht in der Zeile und übertragen die Daten falsch. Das passiert einem Bot nicht. Ein Bot wird nicht müde. Voraussetzung ist natürlich, dass er im Vorfeld korrekt programmiert wird.
Wie lässt sich der fehlerfreie Betrieb einer solchen Lösung gewährleisten?
Indem tatsächlich nur die Aufgaben ausgewählt werden, die ein Bot sinnvoll erledigen kann. Je mehr ein Bot können soll, desto eher sollte man sich die Frage stellen, ob sein Einsatz überhaupt Sinn macht und ob dann nicht die Fehleranfälligkeit steigt.
RPA kann auch für eine verbesserte Compliance sorgen. Was ist damit gemeint?
Nehmen wir etwa das Gesundheitswesen, wo es um sensible Versichertendaten und Datenschutzbelange generell geht. Die Frage, ob der Datenschutz bedroht ist, stellt sich bei einem Bot erst gar nicht, denn der kann ja mit anderen nicht darüber sprechen. Ein Bot macht immer das, was man ihm sagt. Und er macht das immer gleich, auch entsprechend bestimmter Compliance-Regeln. Ein anderes Beispiel sind Reisekostenabrechnungen. Kein Bot hat die Absicht zu betrügen, also einfach mal einen höheren Betrag in Rechnung zu stellen.
Welche Einsatzmöglichkeiten von RPA gibt es zum Beispiel in der Energiewirtschaft?
Viele Energieversorger nutzen verschiedene Systeme zur Abrechnung, die zum Teil auch schon relativ alt sind. Zudem kommen Meldesysteme für etwaige Störungen zum Einsatz. Am Monatsende kann dann sehr viel Arbeit entstehen, wenn Daten aus sämtlichen Systemen zusammengetragen werden müssen. Auch hier kann der Einsatz von Bots hilfreich sein.Entscheidend bei den Energieversorgungsunternehmen ist aber: Die Mehrzahl von ihnen hat ihre Kern- beziehungsweise Standardprozesse bereits automatisiert, etwa mit SAP-Software. Da gibt es eine durchgängige Prozesskette, etwa bezüglich der Daten, die aus Stromzählern kommen. Spannend wird das Ganze aber bei Nebenprozessen, bei denen weniger oder gar keine integrierte Systemlandschaft entlang von Prozessen vorhanden ist.Beispiel Vertrieb: Für eine Kampagne will man Daten selektieren und E-Mails oder Newsletter versenden. Das könnte ein Anwendungsfall für einen Bot sein. Oder im Kundenservice: Fehler im IT-System werden erst im Nachhinein festgestellt und müssen aufwändig korrigiert werden. Auch diese Arbeit kann ein Bot erledigen, den man dann entsprechend anweist und ihm beispielsweise sagt: „Kunden der Kategorie A wurde das falsche Produkt empfohlen, bitte korrigiere das!“ Diese und andere langweilige, standardisierte Nebenprozesse können mit Hilfe von Software-Robotern übernommen werden.
Wie sollten Entscheider vorgehen, wenn Sie RPA einführen möchten?
Ausgangsfrage ist: Wo im Unternehmen fange ich mit einem Bot an und wie kann ich sicher sein, mit dieser Lösung Vorteile zu erzielen? Bevor man sich hineinstürzt, sollte man sich zunächst einen Überblick über die wichtigsten Prozesse im Unternehmen verschaffen. Hier ist eine Eingrenzung wichtig, nicht die umfassende Gesamtlösung. Wenn Unternehmen meinen, sämtliche Prozesse überprüfen zu müssen, kann das sehr schnell Ernüchterung hervorrufen, weil man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Die für die Automatisierung ausgewählten Prozesse sollten selbstverständlich bekannt und dokumentiert sein. Im nächsten Schritt geht es darum, die Prozesse in zwei Dimensionen zu clustern:1. Welchen Nutzen kann ich durch den Einsatz von Bots erzielen, wie etwa Einsparung von Arbeit?2. Wie groß ist der Aufwand für diese Automatisierung?Wenn der Aufwand überschaubar ist, der Nutzen danach aber relativ groß, kann sich ein erstes Projekt mit einem Bot lohnen. Wie oben schon erwähnt, sollte es sich um gut strukturierte Prozesse handeln, die leicht nachzuvollziehen sind. Wenn Daten immer in der gleichen Form vorliegen, geht es dem Bot gut. Wenn ich jedoch den eigentlichen Prozess einfacher machen oder eine Schnittstelle zwischen verschiedenen Systemen etablieren kann, brauche ich einen Bot nicht unbedingt.