Bei der Einführung neuer IT-Technologien und -Lösungen stoßen Firmen oft auf die gleichen Hürden. Wir zeigen welche und geben Tipps, wie sich Software erfolgreich einführen lässt.
In ihrer Beratungspraxis stellen unsere Consultants immer wieder fest, dass sich die Stolpersteine bei der Einführung einer neuen Technologie oder Lösung sehr ähneln. Aus unseren Projekterfahrungen der letzten 21 Jahre haben wir die häufigsten vorkommenden Hürden destilliert. Doch wir wollen nicht nur die Stolpersteine nennen, sondern auch Tipps geben, wie man diese unserer Ansicht nach am besten umschifft.
Software einführen ohne vollständige Anforderungen
Oft setzen Verantwortliche bei geplanten Digitalisierungsprojekten keine oder unkonkrete Ziele. Sie wissen nicht so recht, was sie eigentlich möchten. Statt konkreten Zielen formulieren Sie eher schwammige Meta-Themen, wie zum Beispiel: „Wir möchten den Rechnungseingang angehen.“ Die Vorstellungen sind also manchmal zu Beginn noch etwas diffus und es hat den Anschein, als habe man sich noch nicht wirklich mit dem Thema befasst.
Unser Tipp:
Unternehmen sollten sich zunächst darüber klar werden, was sie mit dem IT-Einführungsprojekt eigentlich erreichen möchten. Dabei können bereits externe IT-Dienstleister unterstützen. Was ist das große, übergeordnete Ziel, aus dem dann einzelne Schritte abgeleitet werden? Es hilft, das Ziel klar und verständlich zu formulieren. Zum Beispiel: „Wir möchten mit dem Projekt der digitalen Rechnungsverarbeitung die Bearbeitungszeit des Rechnungsfreigabeprozesses verkürzen.“
Blockierendes Abteilungsdenken
In einem Workshop, der konkrete Arbeitsschritte festlegen soll, sitzen in der Regel Beschäftigte unterschiedlicher Abteilungen. Diese haben oft unterschiedliche Vorstellungen davon, wie das IT-Einführungsprojekt ablaufen und was es leisten soll. Alle haben eine andere Sicht auf das Projekt und erst einmal ihre eigenen Prozesse im Blick. Nicht selten kommt es dabei zu Unstimmigkeiten.
Unser Tipp:
Zu Beginn hilft es zu untersuchen, welche einheitlichen Vorgaben und Richtlinien im Unternehmen existieren, die von allen Beschäftigten eingehalten werden müssen. Das sind zum Beispiel Freigabe-Richtlinien in der Rechnungsverarbeitung. Werden diese Vorgaben identifiziert, kommt man bei der Formulierung der Anforderungen schon ein gutes Stück weiter. Andererseits hilft es, ein gegenseitiges Verständnis für die unterschiedlichen Sichtweisen verschiedener Abteilungen zu entwickeln. Nicht immer sind die eigenen Abläufe und Prozesse auch die am besten geeigneten.
Software einführen mit unrealistischen Erwartungen
Am Beispiel der Prüfung und Freigabe von Rechnungen lässt sich dies gut darstellen: Im analogen Prozess der Rechnungsfreigabe gibt es eine Wiedervorlage-Mappe, in der sich alle Rechnungen befinden. Diese werden von bestimmten Beschäftigten gesichtet, geprüft und zur Freigabe abgesegnet. Dieser Vorgang kann oft mehrere Tage oder Wochen gehen. Eine Übertragung dieses Prozesses eins zu eins ins Digitale ist zwar möglich, jedoch nicht immer sinnvoll. Es herrscht oft die Erwartung, dass die reine Digitalisierung einen bestehenden Prozess bereits deutlich verbessert nach dem Motto: „Die Digitalisierung wird es schon richten.“ Vielleicht läuft es danach schneller, jedoch nicht besser.
Unser Tipp:
Schwerfällige und möglicherweise unnötige analoge Prozesse und Prozessschleifen lassen sich nicht unbedingt eins zu eins auf digitale übertragen. Unternehmen sollten deshalb nicht davor zurückscheuen, ihre IST-Prozesse zu hinterfragen und auf den Prüfstand stellen. Die Gretchenfrage dahinter: Passen wir die Technik unseren Abläufen an oder passen wir unsere Abläufe der Technik an. Nur weil bestimmte Prozesse schon lange etabliert sind, heißt das nicht, dass sie nicht verbessert werden könnten. Es ist dann nicht mehr die Frage, ob zum Beispiel der berühmte analoge Stempel auf einer Rechnung durch einen digitalen ersetzt wird, sondern ob es diesen Stempel überhaupt braucht.
Zu spätes Einbinden der Endanwender
Bei vielen Einführungsprojekten werden diejenigen, die die neue Technologie beziehungsweise Software später anwenden sollen, während des Einführungsprozesses gar nicht oder zu spät beteiligt. Dies ist oft dann der Fall, wenn eine sehr hierarchisch geprägte Unternehmenskultur existiert, in der Vorgaben von Führungskräften oft kritiklos abgenickt werden.
Unser Tipp:
Unternehmen sollten so früh wie möglich diejenigen mit ins Boot zu holen, die als „Lautsprecher“ für die neue Technologie beziehungsweise IT-Lösung fungieren und diese bei Entscheidungen einbinden. Das sind vor allem die Personen, die sich mit den Prozessen auskennen. Endanwender*innen sollten regelmäßig gefragt werden, wie sie mit der neuen IT-Lösung in der praktischen Arbeit zurechtkommen und ob es an der einen oder anderen Stelle noch Unterstützung braucht. So stellt sich heraus, ob alle die Botschaft der Veränderung verstanden haben. Ein solches Vorgehen stärkt die Akzeptanz der Anwenderinnen und Anwender ungemein.
Mangelnde Kommunikation zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber
Anforderungsliste abschicken, einen Abstimmungstermin durchführen und los geht’s. Dann hört man von Seiten des IT-Dienstleisters nichts mehr davon. Irgendwann fragen sich die Verantwortlichen: Was ist denn nun der aktuelle Stand des Projekts? Wie geht es weiter? Stattdessen neigen viele Auftragnehmer dazu, irgendwann eine fertige Lösung zu präsentieren, die so gar nicht den Erwartungen des Auftraggebers entspricht. Oft haben sich die Anforderungen in der Zwischenzeit auch einfach verändert.
Unser Tipp:
Eine agile Arbeitsweise mit einem iterativen Vorgehen im Einführungsprozess löst diese Missverständnisse. Agil vorzugehen heißt, alle Beteiligten regelmäßig über den aktuellen Stand des Einführungsprojekts zu informieren. Man arbeitet sich in kurzen Projektschritten voran, die immer wieder überprüft werden, und gelangt schnell zu einem ersten Ergebnis in Form eines Minimal Viable Product (MVP). Dieses, wörtlich, „minimal überlebensfähige Produkt“ ist die erste minimal funktionsfähige Iteration eines Produkts. Es wird entwickelt, um den Kundenbedarf mit minimalem Aufwand zu decken. Darauf basierend wird dann weiterentwickelt und es können auch kurzfristige Änderungen der Anforderungen eingeplant werden.
Software einführen mit zu engen Zeitfenstern
Oft werden zu Beginn eines Einführungsprojekts alle möglichen Deadlines festgelegt – und damit alle am Projekt Beteiligten unter enormen Erwartungsdruck gesetzt. Firmen ist dabei nicht bewusst, dass ein umfangreicheres Projekt Zeit braucht, um erfolgreich umgesetzt zu werden. Auch straffe Deadlines schützen nicht vor unvorhergesehenen Herausforderungen. Das gilt besonders dann, wenn Anwender*innen etwas Neues lernen sollen, das nicht trivial ist.
Unser Tipp:
Wer ein umfangreicheres Einführungsprojekt plant, sollte sich auch die dafür notwendige Zeit nehmen. Denn: Irgendwann wird die Testphase erreicht, in der die neuen Prozesse unter realen Bedingungen geprüft werden. Dieser Prozess kann nicht mal so nebenbei ablaufen, sondern braucht Zeit! Es reicht auch nicht aus, mit ein paar Klicks zu testen, ob die neue Lösung funktioniert oder nicht. Daraus lassen sich keine belastbaren Schlüsse ziehen. Alle Beteiligten sollten sich also klar machen, dass das erfolgreiche Einführen einer neuen Software vor allem von einem ausreichenden Zeitfenster des Projektteams abhängt.