Low Code: Hype oder überfällige Entwicklung?

Low Code und Citizen Development als Hype oder überfällige Entwicklung?

Low Code liegt im Trend. Viele Plattformen stellen grafische Modellierungstools und Designtools zur Verfügung. Ziel: Bei der Entwicklung von Anwendungen möglichst wenig programmieren zu müssen. Doch ist Low Code nur ein Hype? Statements aus der LinkedIn-Community.

Was die Bereitstellung von Technologien und Anwendungen für Mitarbeiter:innen angeht, so versteht sich die IT-Abteilung traditionell als Gatekeeper. Dieses Selbstverständnis war lange gelebte Praxis und galt als unantastbar. Wer, wenn nicht die IT, weiß, welche Anwendungen gut für die Anwender:innen in den Fachabteilungen sind?! Schließlich verfügt sie über exklusives Wissen um neue und komplexe Technologien und kann deren Sinnhaftigkeit für den Einsatz im Unternehmen am besten beurteilen.

Low Code rüttelt am Selbstverständnis der IT

Diese Vorstellungen haben zu bröckeln begonnen. Verantwortlich dafür ist ein gestiegenes Selbstbewusstsein in den Fachbereichen, das durch Begriffe wie Low Code oder Citizen Development befeuert wird. Die Low-Code-Entwicklung an sich ist kein neues Phänomen. Schon in den 1980er Jahren gab es mit Rapid Application Development (RAD) Tools als Alternativen zu traditionellen Programmiertechniken. 2014 dann wurde der Begriff Low Code vom Meinungsforschungsunternehmen Forrester Research geprägt.

Low Code heißt: Beim Entwickeln von Anwendungen wird möglichst wenig Code eingesetzt. Dafür stehen Low-Code-Plattformen, wie etwa die Power Platform von Microsoft, mit einer grafischen Benutzeroberfläche bereit.

Grafik zum Einsatz von Low Code in der Anwendungsentwicklung

Entscheidungsbaum für den Einsatz von Low Code. (Grafik: Gartner 2019)

Dem Ansatz nach soll Low Code jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin in den Fachabteilungen ermöglichen, Business-Apps ohne den Einsatz von Fachleuten zu programmieren. Im Grunde geht es dabei ums „Zusammenklicken“ von einer für die eigene Arbeit und möglicherweise für das gesamte Unternehmen sinnvollen Software. Meist handelt es sich um kleinere Apps für Anwendungszwecke. Voraussetzung des Low-Code-Ansatzes ist ein grundsätzliches Vertrauen in die Mitarbeiter:innen: Sie wissen am besten, welche technischen Lösungen für ihre Aufgaben geeignet sind.

Im Konzept des Citizen Developer kommt dieses Empowerment zum Ausdruck. Citizen Developer sind Endnutzer:innen ohne IT-Studium, aber mit technischem Verständnis, die sich als Entwickler:innen betätigen.

Was die Community dazu sagt

Auf LinkedIn hatte ich meinem Netzwerk diese Frage gestellt: Low Code: Hype oder überfällige Entwicklung? Zu meiner Freude haben sich einige zu Wort gemeldet und ihre Ansichten mitgeteilt. Diese gebe ich im Folgenden wörtlich wieder.

Florian P., IT-Dienstleister:
„Ich finde Low Code absolut notwendig. Für jeden Prozess ein fertiges Produkt zu kaufen ist oft nicht zielführend, da man dann zwangsläufig auf unterschiedlichen Plattformen unterwegs ist. Aber man kann auch nicht jeden Prozess entwickeln lassen, das ist zu kostenintensiv. Also, lieber wenige Produkte, die in der Lage sind, mit Low Code schnelle Lösungen zu liefern.“

Marcus M., Citizen Developer:
„Low Code ist definitiv eine notwendige Entwicklung! Ich habe manchmal Tränen in den Augen, wenn ich sehe, wie manche Mitarbeiter und Unternehmen arbeiten. Dabei wäre es oft so leicht, Dinge zu automatisieren beziehungsweise zu verbessern.“

Sarah B., App-Entwicklung:
„Low Code ist meiner Meinung nach ein Game Changer für die Softwareentwicklung und den Aufbau von neuen digitalen Geschäftsmodellen. Jetzt können digitale Produkte entwickelt werden, ohne dafür Monate von Entwicklungszeit zu benötigen. Dadurch können viel mehr Leute an der Digitalisierung teilhaben und eigene Ideen umsetzen.“

Dominik A., Software-Entwicklung:
„Die Kommentare haben schon Vieles abgedeckt. Zusätzlich denke ich, dass es nicht unbedingt auf die Größe der Anwendung ankommt. Ein ganzes ERP kann mit Low Code gebaut werden. Je spezieller die Branche und Tätigkeit des Unternehmens, desto schwerer wird es allerdings, damit fachspezifische Herausforderungen zu lösen.“

Daniel R., IT-Administration:
„Da meist nicht die Technik das Problem ist, sondern das Konzept und die Struktur, wird auch eine Low-Code-Strategie nichts verbessern. Im Gegenteil: Schlechte ‚Insel-Lösungen‘ werden wachsen, weil es zu einfach wird, schlechte Ideen umzusetzen.“

Christopher L., IT-Beratung:
„Beides. Natürlich wird es aktuell gehypt, und viele Plattformen sind auch schlicht und einfach noch nicht so weit. Dennoch ermöglicht Low Code einem interessierten Anwender den Bau einer kleinen Lösung, die für seine Ansprüche genügt. Das ist auch keine neue Geschichte. Microsoft hat das mit den SharePoint-Workflows, Frontpage oder InfoPath bereits seit Jahren so gemacht. Jetzt bekommt das Thema nur mehr Aufmerksamkeit. Nein, Low Code wird die Expert:innen nicht ersetzten. Es ermöglicht ihnen aber, sich auf wesentliche Aufgabenbereiche zu fokussieren. Ich finde das einen guten Kompromiss.“

Heinz B., Open-Source-Community:
„Mit Low Code oder Citizen Development sind die Fachabteilungen in der Lage, Prozesse selbst zu digitalisieren und Applikationen eigenhändig zu erstellen. Das spart nicht nur Zeit, da es weniger Abstimmungsbedarf zwischen der Fachabteilung und einer möglichen Entwicklungsabteilung gibt. Auch Kosten können eingespart werden. Da die momentan verfügbaren Low-Code-Plattformen für gewöhnlich in der Cloud laufen, ist der Integrationsaufwand sehr gering.“

Tobias Z., Unternehmensberatung:
„Ich finde Low Code super sinnvoll – gerade auch für einfache digitale Produkte und Minimum Viable Products (MVPs).“

Robert G., Führungskraft
„Es geht – wie so oft – nicht um ein Entweder-Oder, sondern um ein Sowohl-Als-Auch. Low Code bietet tolle neue Möglichkeiten, um einfach und schnell Anwendungen zur Erfassung, von Workflows, zur Speicherung, Verteilung und Auswertung von Informationen zu erstellen. Codebasierte Anwendungsentwicklung wird für komplexe Lösungen ihre Berechtigung behalten. Aber zur Beschleunigung der Digitalisierung in den Fachabteilungen ist Low Code eine Riesen-Chance.“

Low Code wird auch kritisch gesehen

Nichtsdestotrotz gibt es auch kritische Stimmen zu Low Code. So seien die Drag-&-Drop-Funktionen zwar einerseits nützlich, um sich Anwendungen „zusammenzuklicken“. Benötigt man aber eine ganz spezielle Funktion, die damit nicht abgebildet werden, sei benutzerdefiniertes Coden unumgänglich. Im Endeffekt kann dann Einfügen dieses benutzerdefinierten Codes viel teurer sein als eine vollständig anpassbare Lösung.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Anpassungsmöglichkeiten von Low Code. Diese variierten stark von Plattform zu Plattform. Während einige die Anpassungsmöglichkeiten einschränken, könne man mit anderen Plattformen Anwendungen erstellen, die auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten sind.

Und wie stehen wir als Firma zu den eng miteinander verknüpften Trendthemen Low Code und Citizen Development? Einer unser Geschäftsführer hat dazu Stellung bezogen. Er meint:

„Citizen Development befähigt Endanwender:innen, einfache Fachanwendungen selbst zu erzeugen. IT-Abteilungen mit knapper Personaldecke können sich so auf die Entwicklung komplexerer Lösungen konzentrieren – und gleichzeitig alle Fachanwendungen im Blick behalten.“

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